Theater der Jugend

Biloxi Blues

Theater der Jugend/Wien / Premiere am 6.4.2024

von Neil Simon

mit Robin Jentys. Clemens Ansorg, Curdin Caviezel, Christian Dobler, Ludwig Wendelin Weißenberger, Mathias Kopetzky, Simone Kabst und Sophia Greilhuber

Regie Folke Braband

Assistenz Florian Pilz

Hospitanz Lukas Spring

Bühne Ulv Jacobsen

Kostüme Irmgard Kersting

Licht Lukas Kaltenbäck

Dramaturgie Gerald Maria Bauer

Fotos Rita Newman

Mississippi, 1943: Eugene Morris Jerome aus Brooklyn, New York, ist achtzehn und will eigentlich Schriftsteller werden, als er gegen Ende des zweiten Weltkrieges in die US-Armee zur Grundausbildung eingezogen wird. Dass er noch nie von zu Hause weg war, erkennt man dem naiven Jungen auf den ersten Blick an. Und ihm selbst erscheint dieser befremdliche Haufen junger Rekruten, mit dem er da zusammengespannt wird, mehr als seltsam. Nur einer sticht besonders heraus: der hochsensible, belesene und intelligente Arnold Epstein, der sich aus der Großstadt ins Militärlager Biloxi, Mississippi aufmachen musste. Und schon bald erobert er sich Eugenes Bewunderung: Epstein hat mehr gelesen und scheint auch ein genaueres Bild von den Aufgaben eines Literaten zu haben. Seine schonungslose Prinzipientreue ringt Eugene allen Respekt ab.
Es soll nicht lange dauern, bis dieser sich mit dem Vorgesetzten Sergeant Merwin J. Toomey anlegt und dessen raubeinigen Führungsstil mit Eloquenz und mentaler Standfestigkeit auszuhebeln versucht. Zwei unversöhnliche Welten prallen aufeinander, und es entspinnt sich ein Konflikt ungleicher Ansichten. Denn schließlich steht ihnen der Kampf bevor, Europa von einem rassistischen System des Antisemitismus und der Ausgrenzung zu befreien. Doch wie soll das gelingen, wenn man diese Tendenzen selbst im kleinen Kreis eines halben Dutzends Rekruten nicht in den Griff bekommt?

Folke Braband inszeniert die semiautobiografische Geschichte des US-Dramatikers Neil Simon, die mit dem Tony-Award für das beste Theaterstück ausgezeichnet wurde.

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Presse

Das Theater der Jugend hat mit Regisseur Folke Braband einen besonders guten Griff getan, denn es ist eine besonders gute Inszenierung geworden, perfekt ausgewogen, ohne in irgendeine Richtung zu übertreiben (was gut bzw. mit schlechtem Effekt möglich wäre), Und die Besetzung ist bemerkenswert, besonders der Erzähler Eugene, eine absolute Meisterleistung des jungen Robin Jentys, der persönliche Unschuld, „dichterische“ Ambition und den Lernprozeß des Lebens vollendet wiedergibt. Und auch die zweite Judenfigur Arnold Epstein, an der Neil Simon über die leicht schrägen Überlegungen eines talmudisch geschulten Geistes lächelt – Ludwig Wendelin Weißenberger macht Sturheit so glaubhaft wie Intellekt. Das jugendliche Publikum begrüßte den Abend geradezu enthusiastisch. Er ist vom Stück und von der Qualität der Aufführung her unbedingt auch für ein „erwachsenes“ Publikum nicht nur in Begleitung des Nachwuchses hoch geeignet. Online Merker 

Im militärischen Ton herrscht die Stimme des Ausbildners aus dem Off das Publikum an, elektronische Lärmmacher auszuschalten – Zuwiderhandelnde müssten 100 Liegestütze absolvieren. Der erste Gag gelandet. Wiewohl sich das Stück „Biloxi Blues“ fast durchgängig ums Erlernen militärischer Disziplin der neuen Soldaten für den Ernstfall dreht, bleibt in der Inszenierung im großen Haus des Theaters der Jugend (Wien) doch auch hin und wieder Zeit und Raum für Schmunzeln oder Lachen. Viel öfter aber reißt’s dich in den folgenden zwei Stunden, wenn der Kommandant, Sergeant Toomey (Mathias Kopetzki), die Rekruten anbrüllt, niedermacht, fies und falsch nett die einen gegen die anderen ausspielt, aufhetzt… Doch selbst diese Figur ist im Stück von Neil Simon (Regie: Folke Braband) nicht eindimensional angelegt. Selbst im Einsatz schwer verletzt (halbes Hirn weg), gelingt es ihm, zu vermitteln, dass – so krass es ist und so hart es klingt – im Schützengraben keine Zeit für Nachdenken und Diskussionen bleiben wird. Und diese Soldaten werden – 1943 – vorbereitet für den Einsatz zur Beendigung des zweiten Weltkriegs.

Stück, Regie und Besetzung sowie Spiel der Soldaten-Darsteller erlauben unterschiedlichste Charaktere. Vom vordergründigen Loser, dem Hirn des Zimmers und auf seine Art Widerständigsten Arnold Epstein (Ludwig Wendelin Weißenberger) über den immer wieder aus der Soldatenrolle rausschlüpfenden Chronisten, der an seinen Memoiren schreibt (und damit eine Art Alter Ego des bekannten Theaterautors ist), Eugene Morris Jerome (Robin Jentys), den Zurück- und sich Heraushaltenden Don Carney (Christian Dobler), weil er ohnehin schon mehr als genug rassistische Attacken erlebt hat sowie Joseph Wykowski (Clemens Ansorg), der sich immer wieder besonders stark und männlich geben will/muss bis hin zu Roy Selridge (Curdin Caviezel), dem nicht gerade Hellsten der kleinen Truppe, der damit aber mehr Freiraum für sein Handeln hat.

Eine der spannendsten Szenen spielt sich gegen Ende ab, als der stockbesoffene Sergeant Toomey seinen intellektuell und moralisch haushoch überlegenen Widersacher Arnold Epstein zu einem gefährlichen Spiel herausfordert. Da bleibt immer wieder der Atem als Zuschauer fast stocken – doch Details seien hier nicht gespoilert. Nur so viel – jenseits dieser Szene – immer wieder provozieren Stück und Inszenierung durchaus die innerliche Frage, wie würde ich da selber reagieren – in dieser oder einer anderen Zwangslage. Die so oder anders wohl unter weniger dramatischen Umständen und ohne Uniform, aber dennoch in einem Autoritätsgefälle, nicht so selten sind. Kurier